Die 70-30-Regel – Wenn dein Depot aussieht wie der Speiseplan einer Kantine
„Bloß nicht zu viel Würze!“ scheint das Motto der Anlagewelt zu sein. Lieber langweilig, aber dafür diversifiziert – oder wie man bei Finanzberatern sagt: Risikoarm. Planbar. Totlangweilig. Der FOCUS warnt uns nun davor, an einer alten Regel festzuhalten: 70 % Aktien, 30 % Anleihen. Diese Regel sei zwar „beruhigend“, koste aber Rendite. Und jetzt kommt der spannende Teil: Man soll stattdessen flexibel sein. Aha. Flexibel. Ein Wort so nichtssagend wie ein Politiker im Wahlkampf. Aber schauen wir mal genauer hin: Was wird hier eigentlich beklagt? Dass Menschen sich an eine simple Regel halten, anstatt dynamisch, agil und opportunistisch in Märkte hineinzuinterpretieren, was sie am Sonntag in der „Wirtschaftswoche“ gelesen haben? Sorry, aber 70-30 ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass die meisten Menschen keine Ahnung haben, warum sie überhaupt etwas kaufen. – Aktien? Weil „langfristig“! – Anleihen? Weil „sicher“! – ETFs? Weil „billig“! – Gold? Weil „Opa hat’s auch gemacht.“ Und wenn dann mal jemand 80-20 oder gar 90-10 vorschlägt, bricht kollektive Panik aus: „Aber… aber… das ist doch nicht mehr ausgewogen!“ Genau. Und das ist gut so. Denn wer glaubt, mit einer Excel-Tabelle die Zukunft in den Griff zu bekommen, glaubt wahrscheinlich auch, dass Horoskope eine solide Lebensstrategie sind. Taleb hätte dazu gesagt: Die 70-30-Regel ist wie ein Lebensplan für ein Schaf: Es fühlt sich sicher, bis der Metzger kommt. Und mit Anleihen als „sicherer Hafen“ – im Jahr 2025? Herzlichen Glückwunsch. Das ist wie Brandschutz mit Benzin. Also: Wenn dein Portfolio aussieht wie ein Diätplan – fettarm, risikoarm, geschmacklos – dann ist nicht dein Finanzberater schuld. Dann bist du einfach nur satt vom Buffet der Mittelmäßigkeit. Die bessere Regel? Mach dir erstmal klar, wofür du investierst – und wohin die Reise geht, wenn du nichts tust. Denn die eigentliche Gefahr ist nicht ein zu hohes Aktiengewicht. Sondern ein zu geringes Denken.