Ein Blick auf das, was Investoren wirklich töten kann.
Jahrzehntelang wurde die Sharpe Ratio wie ein Heiliger Gral der Finanzwelt behandelt. Ein Zahlentrick, der angeblich zeigt, wie „effizient“ jemand Rendite im Verhältnis zum Risiko erzielt. Klingt schlau – ist es aber nicht. Zumindest nicht, wenn man die Welt so sieht, wie sie wirklich ist: komplex, unberechenbar und voll schwarzer Schwäne. Die Sharpe Ratio wurde in den 1960er-Jahren vom US-Ökonomen William F. Sharpe entwickelt – ja, genau, dem Typen, der später auch den Nobelpreis bekam (1990, zusammen mit Markowitz und Miller). Sharpe war Professor an der Stanford University und wollte ein einfaches Maß, um Risiko und Rendite vergleichbar zu machen. In der Theorie klang das brillant: Ertrag pro Einheit Risiko = (Rendite – risikofreier Zins) / Volatilität.
Das Problem: Er definierte „Risiko“ als reine Schwankung, nicht als Möglichkeit des endgültigen Verlusts. Damit schuf er ein Maß, das in ruhigen Märkten schön aussieht, aber in echten Krisen versagt.
Ironisch, oder? Ein Nobelpreis für eine Kennzahl, die genau jene Strategien belohnt, die in der Praxis immer wieder scheitern. Taleb hätte vermutlich gesagt: „Ein weiteres Beispiel für akademische Eleganz, die in der Realität tötet.“
1. Die Mär von der Normalverteilung
Die Sharpe Ratio lebt in einer Fantasiewelt, in der Renditen normalverteilt sind. Leider leben wir nicht dort. In der Realität gibt es „fat tails“ – Extremereignisse, die viel häufiger auftreten, als die Statistik vorgibt. Die Folge: ein einziger schwarzer Schwan – und die schöne Sharpe bricht zusammen wie ein Kartenhaus.
2. Volatilität ist kein Risiko
Die Ratio bestraft Schwankungen. Sie mag nur glatte Linien und stetige Gewinne. Aber Schwankung ist nicht Gefahr – sie ist Leben. Ein antifragiles Portfolio kann kurzfristig schwanken, langfristig aber überleben. Ein Portfolio mit hoher Sharpe Ratio wirkt ruhig – bis es in der Krise explodiert.
3. Rückspiegel-Logik
Sharpe misst die Vergangenheit und verkauft sie als Zukunft. Das ist, als würde man die Qualität eines Piloten daran messen, wie ruhig der Flug gestern war. Das ist „epistemische Arroganz“ – die Illusion, dass das Messbare gleichbedeutend mit dem Wahren ist.
4. Die Ratio der Schwachen
Sharpe belohnt Manager, die Volatilität vermeiden – durch Leverage, versteckte Risiken und Short-Optionen. Das System liebt die, die ruhig aussehen. Bis sie nicht mehr da sind. Die Sharpe Ratio fördert genau die Strategien, die am Ende implodieren.
5. Was wirklich zählt
Mein Tipp: Hör auf, Rauschen zu messen. Fang an, zu überleben.
Was zählt, ist nicht die Sharpe Ratio, sondern:
- Robustheit: Kann das System Schocks aushalten?
- Optionalität: Gibt es nach unten begrenzten Schaden und nach oben offene Chancen?
- Skin in the Game: Wer verliert, wenn es schiefgeht?
Die Sharpe Ratio ist wie eine Schönheitsoperation: Sie lässt Portfolios besser aussehen, aber schwächer werden. Sie misst Stabilität, wo in Wahrheit Chaos herrscht. Wenn du antifragil investieren willst, brauchst du keine Ratio – du brauchst Urteilsvermögen, Redundanz und Nerven.