„Mit 17 vor die Tür gesetzt, heute Millionärin“ – so verkauft die Presse Geschichten. Dramaturgie wie bei Netflix: Armut, Trauma, Triumph. Klingt inspirierend, ist aber gefährlich verführerisch.
Dr. Daniela Sußmanns Weg: von der Bibliothek an der Wall Street bis zu sieben Depots voller Einzelaktien. Sie sagt: „Einzelaktien sind das ganz klassische Finanzkonstrukt, das wirklich zu Vermögen führt.“ Und ja, ihr Erfolg mit Nvidia bestätigt das. 3457 Prozent Plus sind ein Lebenswerk. Aber hier liegt das Problem: das ist Überlebenden-Bias pur. Wir hören von Sußmann, nicht von den tausenden, die auch auf RWE und E.ON setzten und nichts mehr besitzen außer der Erinnerung an ihr „sicheres Investment“.
Taleb würde sagen: Erfolgsgeschichten sind rückwärts rationalisierte Märchen. „Ich löste meine Lebensversicherung auf und steckte alles in Aktien.“ Klingt heldenhaft. Aber stell dir vor, Nvidia wäre nicht explodiert. Dieselbe Geschichte endet mit Insolvenz und einer anonymen Leserzuschrift im Wirtschaftsteil.
Das eigentliche Lehrstück ist nicht: mach’s wie sie. Sondern: verstehe, dass die Welt extrem von „Fat Tails“ lebt. Ein einziger Ausreißer – Nvidia – finanziert ihr Leben. Die Verluste von E.ON und RWE sind vergessen, weil der Gewinn alles überdeckt. Das ist Antifragilität: Optionen halten, asymmetrisch setzen, und akzeptieren, dass viele Wetten scheitern.
Interessant ist auch ihre späte Erkenntnis: „Der größte Fehler war, 10 Jahre nur zuzuschauen.“ Das klingt wie eine Börsenweisheit, ist aber eine anthropologische Konstante. Menschen hassen das Risiko des Handelns mehr als das Risiko des Stillstands.
Wer den Artikel liest, sollte nicht die Moral ziehen: Kaufe US-Aktien, löse deine Renten auf. Sondern: Suche dir Konvexität. Spiele so, dass ein einzelner Treffer dein Leben verändert, ohne dass du im Verlustfall alles verlierst. Wer das nicht versteht, verwechselt eine Heldengeschichte mit einer Strategie.
Die Börse ist kein Märchen, sondern eine Lotterie mit versteckter Mathematik. Manche ziehen ein goldenes Los, die meisten reißen es unbemerkt in Stücke.