Der Markt sendet keine Signale mehr, er schreit. Wenn der Spotpreis monatelang über den Futurepreis steigt, bedeutet das: Jemand, irgendwo, braucht das Metall jetzt – nicht nächstes Quartal. Das ist kein bullischer Trend. Das ist Panik in Zeitlupe.
Was hier passiert, nennt man Backwardation – ein Zustand, in dem die Gegenwart teurer ist als die Zukunft. In einer funktionierenden Welt wäre es umgekehrt: Futurepreise liegen normalerweise über dem Spotpreis, weil Lagerung, Versicherung und Finanzierung Geld kosten. Wenn dieses Verhältnis kippt, ist das ein stiller Hilferuf des Systems. Es zeigt, dass niemand mehr den Lieferzusagen für morgen traut und lieber heute bezahlt – egal wie teuer.
Der Gold- und Silbermarkt ist ein Kartenhaus aus Papier. In London werden täglich Unzen verkauft, die niemand je gesehen hat. Forderungen auf Forderungen, gestapelt wie Derivate-Tetris. Und nun bricht die Illusion.
Backwardation, explodierende Leasingraten, leere Tresore – das ist kein Marktmechanismus, das ist ein Offenbarungseid. Drei Jahre physischer Silberdefizite, ETF-Bestände, die sich nicht bewegen, und Spotpreise, die beginnen, sich vom Derivate-Nebel zu lösen. Wer noch glaubt, Papier sei ein Äquivalent zu Metall, glaubt auch an Zentralbank-Inflationsziele.
Um zu verstehen, wie wir hierher kamen, muss man zurück ins Jahr 1987. Nach dem Börsencrash im Oktober jenes Jahres – dem sogenannten Black Monday – suchte die Bank of England nach Wegen, den Handel in Gold und Silber zu stabilisieren und gleichzeitig Liquidität im System zu erhalten. Das Ergebnis war das „unallocated account system“: ein Marktmodell, in dem Teilnehmer Metall „besitzen“, das physisch nie existiert. Eine Art Mindestreserve-Banking für Edelmetalle. Nur ein Bruchteil ist tatsächlich hinterlegt; der Rest sind Buchungen, Versprechen, digitale Schatten.
Dieses System funktionierte Jahrzehnte lang – solange Vertrauen und Papier durch die gleiche Illusion verbunden waren. Heute löst sich diese Bindung. Die Papierkontrakte, die einst für Stabilität sorgen sollten, wirken nun wie Brandbeschleuniger. Wenn die physische Nachfrage steigt, offenbart sich die Leere dahinter.
Das 1987 gebaute Derivate-System war clever – solange niemand echtes Metall wollte. Jetzt will es jeder. Nur dass keins da ist. Das Spiel mit dem Vertrauen kippt, wenn Besitz und Eigentum auseinanderfallen. Wenn Sie es nicht halten, gehört es Ihnen nicht. Das klingt banal, ist aber die brutalste Wahrheit des Jahres 2025.
Die Märkte für physische Edelmetalle verhalten sich inzwischen wie ein trockener Wald im August: ein Funke, und alles steht in Flammen. Der Moment, in dem die Realität den Papierhandel einholt, wird keine Preisbewegung sein – es wird eine Neubewertung.
Backwardation ist also nicht einfach ein Symptom, sondern ein Symptom mit Endstadium. Sie zeigt, dass das Vertrauen in Papier schwindet, dass Liquidität sich auflöst und dass echte Werte beginnen, wieder Autorität zu haben.
Am Ende bleibt eine einfache Gleichung: Fiat ist Versprechen, Metall ist Sein.
Und wenn das Vertrauen brennt, zählt nur, was man in der Hand hat.