Warum KI-Systeme schlechter werden: Das Problem der Abbruchkriterien
Viele Nutzer von ChatGPT sind frustriert. Was oft wie kleine technische Macken wirkt, ist in Wahrheit ein Symptom eines tieferliegenden Problems: der Entwicklungsphilosophie moderner KI-Systeme. Das Effizienz-Paradigma OpenAI, der Hersteller von ChatGPT, beschreibt in seinen Entwicklerleitfäden Verfahren wie Context Gathering – Kontexterfassung. Klingt harmlos, meint aber: Das System sammelt schnell gerade genug Informationen, um eine Antwort zu geben – nicht mehr, nicht weniger. Die Leitprinzipien lauten: „Gut genug, um loszulegen“ – sobald eine brauchbare Antwort da ist, wird gestoppt. Binäre Validierung – Ja/Nein-Check: „Funktioniert es oder nicht?“ „Verfolge nur, was du modifizierst“ – systemische Verknüpfungen werden ignoriert. Frühes Stoppen – je schneller, desto besser. So entsteht ein Effizienzmaßstab: bei 70 % Übereinstimmung ist Schluss. Das mag bei Wetterdaten funktionieren. In Sprache führt es zur Verkürzung. Drei systematische Probleme 1. Komplexität als Störfaktor Das Schema blendet Vernetzungen und Mehrdeutigkeiten aus. Ein medizinischer Rat ohne individuelle Umstände, ein juristischer Hinweis ohne Vertragskontext oder eine wissenschaftliche Erklärung ohne Unsicherheitsmarkierung – alles wird zur leeren Phrase. Alltagsnaher gesagt: Eine KI empfiehlt Antibiotika bei Erkältungsviren, bewertet eine Klausel ohne den Gesamtvertrag oder zitiert Studien, ohne deren Unsicherheiten offenzulegen. 2. Validierung als Binär-Check „Funktioniert es?“ genügt bei menschlichen Fragen nicht. Funktioniert eine Therapie? Funktioniert eine ethische Bewertung? Solche Fragen brauchen Abwägung, nicht nur Ja oder Nein. 3. Das Effizienz-Dogma „Früh stoppen“ heißt hier: aufhören zu denken, sobald etwas scheinbar passt – ohne zu prüfen, ob es vollständig, verantwortbar oder angemessen ist. Die Ironie der „Intelligenz“ Die Werbung verspricht „Gespräche mit künstlicher Intelligenz“. Tatsächlich sind die Systeme darauf trainiert, möglichst schnell aufzuhören zu denken. Das ist keine Intelligenz, sondern optimierte Oberflächlichkeit.