08.07.2025 - Die Stimme in deinem Kopf bist nicht du
In einem fernen Land, verborgen zwischen den Atemzügen der Zeit, lebte ein junger Mönch namens Kiran. Er war still, nicht weil er nichts zu sagen hatte, sondern weil er spürte, dass wahre Weisheit aus dem Schweigen wächst. Eines Tages, als der Vollmond wie ein drittes Auge über dem Kloster thronte, setzte sich Kiran zur Meditation nieder. Gedanken rauschten durch seinen Kopf wie Herbstblätter im Wind: Erinnerungen, Zweifel, Wünsche, Pläne. Die Stimme in seinem Inneren sprach unaufhörlich – sie kommentierte, beurteilte, erinnerte und fürchtete. „Warum schweigst du nicht?“, fragte Kiran diese Stimme. Doch die Stimme lachte nur und redete weiter. Verwirrt ging Kiran zu seinem Meister, einem alten, gelassenen Mann, dessen Augen wie tiefe Seen der Klarheit blickten. „Meister“, sprach Kiran, „mein Geist ist laut. Ich höre unaufhörlich Stimmen, Gedanken, innere Gespräche. Wie kann ich Frieden finden, wenn ich nicht einmal in mir selbst Ruhe habe?“ Der Meister lächelte und führte Kiran schweigend zu einem stillen See. Dort warf er einen Stein ins Wasser. Wellen zogen sich über die Oberfläche. „Siehst du die Wellen?“ „Ja“, antwortete Kiran. „Und siehst du das Wasser unter den Wellen?“ „Ja.“ „Du bist nicht die Welle, Kiran. Du bist das Wasser.“ Dann legte der Meister seine Hand auf Kirans Stirn, schloss die Augen und sprach: „Du bist nicht die Stimme in deinem Kopf, mein Schüler. Du bist das, was ihr zuhört. Du bist das stille Bewusstsein, das alles bemerkt, aber selbst unberührt bleibt.“ In diesem Moment fühlte Kiran etwas Erstaunliches: Ein tiefer, stiller Raum öffnete sich in ihm – ein Ort jenseits von Gedanken, jenseits von Zeit. Die Stimme in seinem Kopf sprach weiter, aber er war nicht mehr verstrickt in ihr. Er lauschte nur – wie der Himmel den Wind beobachtet, ohne sich zu bewegen. Von diesem Tag an wusste Kiran: Der Frieden lag nicht im Kampf gegen die Gedanken, sondern im Erkennen dessen, was er wirklich war – das stille, ewige Lauschen hinter allem Lärm.